Wie wir alles schaffen

Mein Krebs und ich

Kinder mögen keine Tabus

Der Krebsstatus von Lukas‘ Frau ist derzeit stabil.  Eine tumorbedingte Vorfußhebeschwäche schränkt ihr Gehvermögen und damit ihre Mobilität ein. Wie gerne hätte sie den kleinen Kindern das Fahrradfahren erlernt oder wäre mit ihnen gerne wandernd unterwegs? Das weiß Lukas. Dass seine Frau auf Vieles im Leben, auch im Zusammenleben mit den Kindern, verzichten muss. Und dass er damit auch mehr Aufgaben und Verantwortung übernimmt.  

Die Familie spricht viel über das Leben und den Tod. Es gibt keinen Platz für Tabus. „Wir sind mindestens einmal in der Woche am Friedhof beim Grab meiner erst kürzlich verstorbenen Mama. Die Kinder sind so gerne dort. Die Große möchte den Geburtstag am Friedhof verbringen – am Grab gemeinsam mit ihrer verstorbenen Oma. Wir verbringen viel Zeit am Friedhof. Auch zum Kastaniensammeln, weil dort nimmt sie uns auch sicher keiner weg.“ (lächelt)

„Wir haben aus Lego ein Grab gebaut, das war nicht meine Idee. Meine Kinder und ich haben, als es meiner Frau so schlecht ging, bereits eine Hospizeinrichtung besucht und dort wichtige Gespräche in Vorbereitung auf den Tod meiner Frau geführt.  Das hat bestimmt viel mit den Kindern gemacht, das bleibt ihnen bis sie erwachsen geworden sind.“ 

Die Kinder wissen, dass auch ihre Mama sterben könnte. Sie wissen, was Krebs bedeutet.
„Sie wissen aber auch, dass es ihr jetzt momentan gerade gut geht und dass ich im Notfall immer da bin.“ Offenheit ist Lukas und seiner Frau wichtig: „Unsere Kinder sprechen alles an. Eines unserer Geheimnisse im Umgang miteinander ist es wahrscheinlich, immer offen und ehrlich zueinander zu sein. Wir lassen Offenheit bewusst zu und besprechen die Dinge, wenn gerade danach gefragt wird.“

Man lebt nur einmal

Lukas und seiner Frau ist es beiden bewusst, dass Lukas in der Familie überdurchschnittlich viele Aufgaben übernimmt. Deswegen haben sie beide beschlossen, dass Lukas auch bewusst Freiräume genießen soll, in denen er seinen eigenen Beschäftigungen intensiv nachgeht: „Man lebt nur einmal. Das weiß ich jetzt noch mehr als vorher. Ob alleine oder als Familie machen wir oft Dinge, die wir sonst nicht gemacht hätten: … weil zu umständlich, zu zeitintensiv oder zu teuer.  Dieses eine Leben, das wir haben, das wollen wir richtig auskosten. Wir machen jetzt einfach Dinge, die hätten wir früher nicht so gemacht. Wenn die Kinder eine Idee haben, dann ziehen wir’s durch.“ 


Durch Dick und Dünn

Der Krebskrankheit seiner Frau ging eine lange, vertrauensvolle Beziehung voraus. „Es ist alles gekommen, wie es gekommen ist.“ Lukas hat nie daran gedacht, dass die Krebserkrankung die Beziehung gefährden könnte: „Wir haben das bis jetzt sehr gut durchgestanden. Und es läuft noch immer gut. In guten wie in schlechten Zeiten zusammenzuhalten ist herausfordernd, aber es ist es wert.“

Lukas findet, dass die Beziehung auf Grund der existenziellen Herausforderungen noch intensiver wurde und dass die Liebe daran gewachsen sei. „Um das durchzustehen, braucht man viel Offenheit und Vertrauen. Wir reden über Alles, auch über Leben und Tod.“ Das Vertrauen zwischen den Partnern ist gewachsen – sie haben sich beide in verletzlichen, sehr intimen Momenten unterstützt: „Ich habe meine Frau in der Intensivstation, als sie nicht ansprechbar, aber wach war, wie ein Kind gefüttert. Das war schwierig, weil es einem vorkommt, wie als würde man diesen Menschen nicht mehr kennen. Aber als es meiner Frau am nächsten Tag schlagartig besserging und sie wieder in der Normalstation saß und normal sprach, waren diese Gefühle wieder wie verschwunden. Das war ein sehr schöner Moment.“

Lukas sagt, dass er gerne an diese Momente zurückdenkt: „Weil es ja gut ausgegangen ist. So gesehen haben das Krankenhaus und all diese Erlebnisse auch etwas sehr Positives.“

Lukas erinnert sich an die Zeit der Geburt ihres zweiten Kindes, als seine Frau in so einer kritischen Verfassung war: „Sie haben meine Frau von der Intensiv in die Station geführt, mit all den Geräten, sie haben ihr das Kind auf den Oberkörper gelegt, und alle rundherum haben geweint und bedrückt ausgesehen. Ich dachte: Was heißt das jetzt? Was ist los? Muss sie jetzt sterben? Aber am nächsten Tag, war alles vorbei. Wir waren wieder zurück in einer anderen, schöneren Realität. Meine Frau hat gefrühstückt und alles war fast wie früher."