Tipps für ÄrztInnen

"Steter Tropfen höhlt den Stein" - Ovid, 43 v.Chr. – 17 n.Chr.; eigentlich Publius Ovidius Naso, römischer Epiker

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Der Patient als Mensch. Miteinander reden ist wichtig.
Die Zusammenarbeit zwischen Arzt und Patient im Rahmen einer Krebserkrankung ist eine große Herausforderung für beide Kommunikationspartner. Zu irgendeinem Zeitpunkt realisiert jeder Behandler, dass es in der Therapie neben der Wahl der richtigen Methode, vor allem darauf ankommt, den Patienten auf der Ebene von Mensch zu Mensch zu erreichen.

Patienten brauchen neben der fachlichen Kompetenz der Ärzte vor allem Fürsorglichkeit, Verständnis und Mitgefühl.

Die Gründe für die oft schlechte Kommunikationsstruktur, an der Ärzte und Patienten gleichermaßen leiden, sind auf institutioneller und auf persönlicher Ebene zu suchen.

Auf der persönlichen Ebene spielen folgende Faktoren eine Rolle:

  • Ärzte stehen unter permanentem Zeitdruck und Stress und sind oft hoffnungslos überfordert.
  • Täglich mit schwerkranken Menschen zu arbeiten, Überbringer schlechter Nachrichten zu sein, Entscheidungen über Behandlungsmethoden zu treffen und dabei eine befriedigende Art der Kommunikation zu finden, ist keine leichte Aufgabenstellung.
  • Jeder Patient löst beim Behandler unterschiedliche Gefühle aus.
  • Jeder Arzt wird in der Arbeit mit Krebspatienten auf seine eigenen Gefühle wie Ängste, Aggressionen, Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung etc. zurückgeworfen. (Wenn Sie z.B. selbst gerade Vater geworden sind und einem Patienten begegnen, der gleich alt ist wie Sie, ebenfalls Vater geworden ist und Hodenkrebs hat, werden Sie möglicherweise emotional betroffener sein, als bei einem Patienten, der in einer weniger ähnlichen Situation ist wie Sie selbst).
  • Sollten Sie einem sterbenden Patienten begegnen, werden Sie sehr wahrscheinlich an Ihren eigenen Tod und die damit verbundenen Gefühle denken.
  • Es ist ganz normal und natürlich, Gefühle den Patienten gegenüber zu entwickeln, allerdings ist es ganz wichtig, Gefühle nicht zu verleugnen, sondern zuzulassen.
  • Ganz wichtig ist es auch, dass Sie sich selbst sehr gut kennen und nicht in die Situation kommen, dass Sie die Gefühle des Patienten von den eigenen Gefühlen nicht mehr unterscheiden können, denn oft lösen die Gefühle des Kranken, wie Todesangst, bei Ihnen ähnliche Gefühle wie z.B. Angst und Depression aus.
  • Wenn Sie diese Gefühle nicht verarbeiten, dann können Sie nicht mehr wirklich hilfreich für den Patienten sein.
  • Denn die Angst vor der inneren Überwältigung setzt Abwehrmechanismen in Gang, die als solche nicht erkannt werden: Lüge, Verleugnung, starke Sachlichkeit, kürzeres Verweilen am Krankenbett, Vermeidung eines Gesprächs, längeres Wartenlassen ...
  • Behandler müssen sich ihrer eigenen Grenzen bewusst werden und sich fragen, was und wie viel sie sich zumuten können und wie belastbar sie zur Zeit sind.

Viele Ärzte leiden an einem Burn-out-Syndrom, das eine ganz normale menschliche Reaktion auf Überlastung und Stress ist, aber vermieden werden kann, wenn Warnsignale früh genug richtig gedeutet werden.
Vorbeugende Maßnahmen für Ärzte und Pflegepersonal können diesen Warnsignalen entgegentreten:

  • Regelmäßige Supervision und Intervision.
  • Selbsterfahrung bei Psychologen/Psychotherapeuten.
  • Fallbesprechungen.
  • Entspannungsverfahren – z.B. Autogenes Training.
  • Fortbildungsveranstaltungen zum Thema Arzt-Patientenbeziehung.

Das wichtigste Instrument der Begleitung ist der Begleiter selbst. (W.König, 1993)

Wenn Ärzte Patienten begegnen, sollten Sie verschiedene Grundprinzipien hilfreicher Begegnung kennen. Dies erleichtert die Arbeit und macht eine gute und von Vertrauen geprägte Beziehung erst möglich.
In der Betreuung Schwerkranker wird die Pflegeperson als ganze Persönlichkeit gefordert:
Ihr Einfühlungsvermögen, ihre Wahrnehmungsfähigkeit, ihre Emotionalität, ihre Beziehungsfähigkeit, ihr Mitgefühl, ihre Intuition und Kreativität.
Um eine Beziehung hilfreich für den Patienten werden zu lassen, sollte die Grundhaltung des Betreuers von einigen Grundvariablen bestimmt sein, die C. Rogers wie folgt formulierte:

Empathie: Einfühlendes, nicht wertendes Verstehen
Empathisch sein könnte man mit „in die Schuhe des Anderen schlüpfen“ umschreiben.
Der Betreuer muss in der Lage sein, sich auf den Patienten einzustellen. Dazu ist es erforderlich, die eigene Person eine zeitlang in den Hintergrund zu stellen, um aus den verbalen Äußerungen, aber oft auch nur aus der Körpersprache erfühlen zu können, was den Patienten bewegt und beschäftigt.
Der Helfer muss sich berühren lassen, sich aber gleichzeitig auch gut abgrenzen können.

Einige Aspekte der Empathie:

  • Eine Person erfasst vollständig die vom Gegenüber geäußerten, gefühlsmäßigen Erlebnisinhalte.
  • Eine Person sieht das Gegenüber so, wie dieser sich in diesem Moment selbst sieht.
  • Eine Person ist dem Gegenüber nahe, indem sie spürt, was dieses fühlt, denkt und sagt.

Es handelt sich also bei diesen Grundlagen hilfreicher Gespräche nicht um ein mechanisch-technisches Einüben von Kommunikationsfertigkeiten oder Strategien, sondern einzig und allein um die Bereitschaft, sich dem Patienten tatsächlich zuzuwenden, ihn wahrzunehmen, mit all seinen Gedanken und Gefühlen.

Das Gefühl verstanden zu werden vermindert Einsamkeit und Isolation und führt oft schon nach einem Gespräch zu großer Erleichterung.

Nicht-wertende Akzeptanz
Dies bedeutet, dass der Betreuer alles, was der Patient mitteilt, annimmt, ohne eigene oder gesellschaftliche Wertmaßstäbe anzulegen. Es soll eine Atmosphäre geschaffen werden, die es dem Patienten ermöglicht, auch Gedanken und Gefühle, die ihm unangenehm sind, oder für die er sich schämt und schuldig fühlt, auszusprechen, ohne dass er sich fürchten muss, belächelt, korrigiert, verurteilt oder gar verlassen zu werden.
Die Dimension Wertschätzung beinhaltet die Grundhaltung Achten – Wärme – Sorgen.

Wichtige Fragen hierbei sind:

  • Achte ich den Gesprächspartner als Person?
  • Fühle ich wirklich Wärme und Anteilnahme ihm gegenüber?
  • Kann ich ihn in seinem Fühlen und in seiner inneren Welt wirklich voll annehmen?
  • Bin ich ihm wirklich sorgend zugewandt?

Der Arzt muss nicht alles gut oder richtig finden, was der Patient sagt, das Entscheidende ist, dass er es gar nicht findet, das bedeutet, dass es weder positiv noch negativ bewertet wird.
Diese Bewertungsabstinenz ist Grundvoraussetzung dafür, dass sich ein Patient öffnen kann, ohne Angst vor Ablehnung. Außerdem gewährleistet Wertfreiheit die neutrale Haltung des Arztes gegenüber dem Patienten.

Gelingt es dem Betreuer, den Patienten mit all seinem Schmerz, seiner Verzweiflung und seiner Hilflosigkeit anzunehmen und das auch auszuhalten, wird es auch für den Patienten selbst leichter sein, sich selbst so zu akzeptieren.

Non-Direktivität
Menschen haben sich im Laufe des Lebens ganz individuelle Strategien erarbeitet, die sich für die Bewältigung von schwierigen Situationen bewährt haben. Jeder hat sein ganz persönliches Lebensmuster entworfen und gelebt und so hat auch jeder Mensch das Recht darauf, sein Leben und auch sein Sterben nach seinen Ideen zu gestalten.

Machen Sie dem Patient keine Vorschläge in Richtung:

  • "Sie müssen jetzt stark sein ..."
  • "Sie müssen da durch ..."
  • "Machen Sie die Therapie in jedem Fall, sonst ..."

Der Betreuer kann also nur Begleiter sein, der Alternativen oder Lösungsvorschläge aufzeigt, die Entscheidung bleibt letztendlich aber immer beim Patienten und muss akzeptiert werden.

Selbstkongruenz: Echtheit
Selbstkongruent sein bedeutet echt und authentisch sein. Das Ziel in der Kommunikation ist es, lebendig zu bleiben und zu den eigenen Gefühlen wie Aggression, Angst und Hilflosigkeit zu stehen und diese nicht z.B. mit starrem, denkhaftem Verhalten abzuwehren.

Kongruent sein bedeutet:

  • Ich verstecke mich nicht hinter einer Fassade.
  • Ich zeige meine Unzulänglichkeit und gebe zu, dass ich auch Fehler mache oder etwas nicht weiß.
  • Meine Äußerungen entsprechen meinem Fühlen und Denken.
  • Ich gebe mich so wie ich bin.
  • Ich spiele keine Rolle und verhalte mich natürlich.
  • Ich bin aufrichtig und heuchle nicht.
  • Ich bin vertraut mit dem, was in mir vorgeht und setzte mich damit auseinander.

"Therapie ereignet sich weder im Arzt noch im Patienten, sondern zwischen beiden" (M. Balint)

Damit Helfer hilfreich sein können, müssen sie selbst sehr gut auf sich achten.
Die Gefahr eines Burn-out-Syndroms und einer Depression ist gerade bei Menschen, die in helfenden Berufen tätig sind sehr groß!

Selbstfürsorge:

  • Tägliche Entspannung – Zeiten der Ruhe und des Rückzuges. Nehmen Sie sich täglich Zeit für sich selbst (Yoga, Autogenes Training, Atemübungen ...).
  • Zeitplanung – persönliches Zeitmanagement. Treffen Sie Verabredungen mit sich selbst und tragen Sie diese in einen Wochenplan ein. Was ist Ihnen ganz persönlich wichtig und wieviel Zeit möchten Sie damit verbringen?
  • Sich täglich etwas Gutes tun. Kunst, Kultur, Erotik.
  • Pflege des eigenen Körpers. Training, Massage, Wellness.
  • Pflege des eigenen sozialen Netzwerks. Vernachlässigen Sie nicht den Kontakt zu Freunden und Bekannten.
  • Nicht alles alleine lösen müssen. Andere um Rat fragen.
  • Über eigene Probleme und Sorgen mit Vertrauten sprechen – Psychohygiene.
  • Rechtzeitig professionelle Hilfe holen. Therapie und/oder Selbsterfahrung/Supervision.
  • Regelmäßige Fortbildung – bringt höhere Lebendigkeit, Ausgeglichenheit, Kompetenz und Freude in der Arbeit mit Patienten.
  • Offenheit für neue Erfahrungen.

Um eine möglichst gute, tragfähige und von Vertrauen geprägte Beziehung zu Patienten herzustellen beachten Sie folgende Punkte:

Gesprächsführung:

  • Nehmen Sie sich ausreichend Zeit und Raum für das erste aufklärende Gespräch mit einem an Krebs erkrankten Patienten.    Achten Sie darauf, dass eventuell ein Angehöriger bei dem Gespräch dabei ist.
  • Erklären Sie Ihrem Gegenüber die aktuelle medizinische Situation.
  • Erklären Sie dem Patienten die nächsten Schritte und klären Sie ihn über Operation und Behandlung auf.
  • Zeichnen Sie dem Patienten eventuell auf, wo der Tumor liegt ...
  • Klären Sie über mögliche Maßnahmen auf – Wirkung, Risiko, Nebenwirkung.
  • Sprechen Sie einfach und verständlich und vermeiden Sie Fachtermini.
  • Beziehen Sie den Bildungsgrad und Wissensstand des Patienten mit ein und passen Sie ihre Ausdrucksweise daraufhin an.
  • Verheimlichen Sie nichts, konfrontieren Sie aber den Patienten auch nicht zum falschen Zeitpunkt mit Prognosen.
  • Bieten Sie dem Patienten an, Fragen zu stellen.
  • Machen Sie sich mit den Grundprinzipien hilfreicher Begegnungen mit Patienten vertraut.
  • Achten Sie darauf, dass der Patient bei Ihnen selbst verschiedene Gefühle auslöst (Gegenübertragung) und fragen Sie sich: „Welche Gefühle löst der Patient bei mir aus?“
  • Selbsterfahrung und Supervision sind unerlässlich in der Arbeit mit Patienten!

Basis für jedes Gespräch zwischen Arzt und Patient sind: Empathie, Akzeptanz, Non-Direktivität, Kongruenz (siehe C.Rogers)